kreuzweise, aufgelöst
(Auflage: 200 Exemplare)
Art.Nr.000/200
Ja gewiß, es ist geschwindelt, ich sei entsetzt gewesen, als ich, jetzt, da ich selbst in die Jahre komme, die derlei unsinnige Forschungen eigentlich verbieten, erfuhr, mein alternder Vater verbringe große Teile seines Tages damit, Kreuzworträtsel zu lösen. Was wir nicht alles tun!
Selbst hatte ich in einer frühen Faszination von dem, was die frühmenschliche Erfindung des Gewebes bewirkt haben mußte, einige Bilder gewoben. Wo wir Jetzigen unverständig leichthin von Netzwerken sprechen, mußte die systematische, in die Fläche ausgreifende Verbindung von Fäden eine unsagbare Revolution dargestellt haben, Geflecht nicht mehr von Weidengerten zu Körben, sondern das Gewebe von Kordeln und Garnen zu Tuchen, Stoffen, Wirkware. Ich versuchte allerdings, die andere große Erfindung an der Fläche, das Bild, mit dieser urzeitlichen Neuerung, die dann großer Motor der Industriellen Revolution in Form von Jacquard-Webstuhl und anderem gewesen war, zu verweben: Ich verfolgte die Webe aus je zwei Bildern, in vertikale Streifen das eine, in horizontale Streifen geschnitten das andere. Was inzwischen auf jedem billigen Computer mit simplem Graphik-Programm herzustellen ist, schien mir interessant durch das Schneiden von Bildstreifen und ihre Verflechtung zu einem dritten Bild, das sich in den hervorgehobenen und verdeckten Bildwürfeln der Streifenkreuzungen formulierte.
Es war dies auch Würdigung der Arbeit meiner mit Geweben umgehenden Mutter, das im Gegensatz zum zweifelhaften obigen Entsetzen kindliche Faszination erzeugt hatte.
Die Enden der Webbildfäden klebte ich in einen, den Webstuhl aus Papier ersetzenden Kartonrahmen. Bildträger vom Rand her – in einem Raptus indes, der auch familiengeschichtliche Furorwurzeln gehabt haben mochte, gab ich diese Bilder drein. Einem Umzug fielen sie zum Opfer.
Dann also neuer Ansatz mit den vorgedruckten Kästchen von Kreuzworträtseln. Schnitt man diese in ihrer Vertikalen in Streifen, so konnte es spannend werden, wenn man nicht entlang der ohnehin vorgegebenen Ränder schnitt, sondern in den Kästchenmitten – versteht sich, die Kästchen hatten ausgefüllt sein müssen, die Rätsel gelöst, meinem Vater sein Recht eingeräumt.
Die so erzeugten Streifen permutierten ihre Reihenfolge. Lediglich die je äußeren, Kante gebenden Streifen behielten ihre Position als linker oder rechter bei den Vertikalschnitten beziehungsweise als oberer oder unterer Streifen bei den Horizontalschnitten. Das Permutat klebte ich auf einen dünnen Karton auf.
Nun die zweite Unterteilung, im rechten Winkel zur ersten, wiederum in den Kreuzworträtselkästchenmitten. Wortmonster mußte man ertragen. Hinzu kamen nun, beim zweiten, orthogonalen Permutieren tatsächlich reizvolle graphische Wunderlichkeiten.
Einige der abschließend auf dickerem Karton fixierten Zweitpermutate muteten chinesisch an, andere kyrillisch, japanisch einiges, georgisch manche. Flußgott mit sieben Buchstaben senkrecht war nicht mehr zu lösen, aber das kalligraphische Pendent dafür war gefunden.
Meinem Vater haben diese Lösungen nicht viel gesagt, kreuzweise, aufgelöst, meine Mutter hat das viel zu lose Gewebe mit ruhigem Gleichmut angeschaut.