Haustiere

(Auflage: 50 Exemplare)

Art.Nr.00/50

Haustiere: Es war in der Zeit nach dem Abschluß der »Sammlung dielmann / Öffentliche Hand« im Dominikanerkloster Frankfurt. Ich hatte von dieser Leidenschaft für herrenlose, im öffentlichen Raum gefundene Handschuhe her den Blick immer auch am Boden, ich ging aus und behielt die Straße im Augenwinkel, fuhr zu einem Treffen und scannte den Straßenrand, war mit dem Fahrrad unterwegs und betrachtete mit der Aussicht über Mainufer oder Stadtwaldlichtungen auch die Bordsteinkanten und Ränder der Verkehrsinseln. So war ich auch in der Wohung unterwegs, man hört ja nicht auf mit seinen Verhaltensweisen, nur weil man zuhause ist, legt seine Schrullen weder vor noch hinter der Haustür ab! Blick also zum Teil am Boden – die Erde nicht vergessen beim Unterwegssein! – Das war damals Vorgabe für meine Blickrichtung.

Haustiere (015.klein Zum anderen war es eine neue Wohnung, in der ich lebte, und sie war mit Parkett ausgelegt. Wo in der vorigen Wohnung Dielen mit breiten Ritzen und unregelmäßigsten Nägeln und groben Astlöchern einen in sich unruhigen Boden gebildete hatten, hatte ich nun einen glatten, sanft gemaßerten Fußboden, herrlich! Darauf aber hatte ich kurz nach dem Einzug zufällig einen kleinen Käfer gefunden, tot, auf dem Rücken liegend, tags darauf einen zweiten gleicher Art, Frühlingsausflüge eben geschlüpfter Tierchen wahrscheinlich – aber nun war eine Form von Wachheit für winzige Erhebungen in mir geweckt, für Partikelchen und Pickelchen am Parkett.

Haustiere (019.kleinWo immer mir ein Fremdkörper auf dem Boden auffiel, trat ich näher, beugte mich, besah das Etwas mit der Vermutung, einen neuen Käfer, ein anderes Insekt zu finden. Am Ende des langen Flurs ein Wollknödelchen in der beige-braunen Käferfarbe? Entwarnung, in diesem Fall wohl einem Pulloverflusen geschuldet! – Neben dem Bett ein längliches Dingelchen, das im Luftzug unter der Schlafzimmertüre vibrierte, grau, unscharf, die Ränder haarig gar? Nein, kein Vieh, nur ein schlichter Staubbotzen, der dem Sauger entgangen war. – Fühlerhafte Verlängerungen an einem Ende, schwarz, rötlich gesprenkelt, dicklich gewölbt, ihh, ein Vieh, knapp vor der Lamberie-Leiste des Wohnzimmers? Aber nein, ein kleiner Abrieb vom Stoßband eines Hosenbeins, das sich mit Bröseln meiner Hausschlappen vermischt und zwei wer weiß woher gewehte Härchen einverleibt hatte.

Seltsame Haustiere. Die mich immer wieder einmal foppten. Denen ich mich zubeugte, die mir den Verdacht einer insektischen Invasion eingaben, mir Getier vorgaukelten, wo einfach der Abrieb des Alltags sedimentierte und sich, Staub zu Staub, mit dem Zahn der Zeit vermengte, Asche zu Asche, und eine künstliche Natur-Welt in meiner Wohnung simulierte. Ich blieb dabei, ich simulierte mit, würdigte meine fehlgeleitete Aufmerksamkeit durch Angabe von Fundort und Datum. Aufgepiekt unter Simulation insektenkundlicher Neugier und Vorspiegelung schmetterlingssammlerischer Akribie auf Nadeln, ein wenig Fantasie beim Schreiben des Bestimmungsschildchens, und ab in einen Rahmen hinter Glas mit dem Zeug. – Den Rest kann man kennen von eigenen Zwanghaftigkeiten.Haustiere (012.klein

 

 

 

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